Du, Chef?

Wie das Siezen langsam vom Duzen abgelöst wird

Veröffentlicht am: 18.2.2022
Autor/in: Ann-Katrin
Tags: #Augenoptik, #Hörakustik, #Jobwechsel, #Tipps
Lesezeit: Minuten

Hej Du! Schon seit fast 20 Jahren spricht IKEA seine Kunden nur mit „Du“ an. Ziel sei, den Kunden nicht nur das skandinavische Design, sondern auch ein Stück Schweden zu zeigen. Interessant ist jedoch, dass im Kundenservice überwiegend gesiezt wird. Viele große Unternehmen wie Apple, Microsoft und kleine Startups nehmen die Ansicht auf und weichen die klassischen Knigge-Regeln auf. Nicht nur in der Kundenansprache, auch im Geschäftsleben wird heutzutage immer mehr geduzt – wie geht man mit dieser Änderung um?

Der Blick auf die Insel zeigt, dass sich im Englischen alle mit „you“ ansprechen. Es ist jedoch nach wie vor eine Höflichkeitsanrede, auch wenn man gewillt ist, das „you“ einfach mit einem „Du“ zu übersetzen. Gerade in den letzten Jahren ist das „Du“ im Job auf dem Vormarsch. In meiner Ausbildungszeit wurde ich von Vorgesetzten und Kollegen gesiezt. Es kam mir nicht in den Sinn, dies in Frage zu stellen. Das „Sie“ mag eine gewisse Distanz erzeugen, steht für mich aber für gegenseitigen Respekt, Höflichkeit und Wertschätzung. In den letzten Jobs war die Hierarchie flacher und das Duzen von Vorgesetzten und Kollegen selbstverständlich. Anfangs erschien mir das seltsam, bis heute rutscht mir das „Sie“ im Gespräch unabsichtlich wieder raus. Für mich ist es nach wie vor ein Zeichen einer guten Kinderstube.

Duzen oder Siezen? Wer den ersten Schritt macht

Das Duzen etabliert sich langsam zu einem Erkennungszeichen der modernen Zeit. Durch die Globalisierung und den Kulturwandel entwickeln sich gesellschaftliche Konventionen und Benimmregeln immer weiter und verändern sich in diesem Zuge. Bei guten Manieren gilt: Knigge-Regeln kann man bewusst ignorieren, aber nur, wenn man sie kennt und dabei trotzdem höflich bleibt.

Wer in einem Unternehmen neu anfängt, sollte vorerst das „Sie“ nutzen – auch wenn sich die Kollegen untereinander duzen. Es gibt ein paar Grundregeln, wer das „Du“ zuerst anbietet:

  • Alter: Der Ältere bietet dem Jüngeren das „Du“ an – es ist ein Zeichen für den Respekt vor dem Alter
  • Rang: unter Kollegen oder bei flachen Hierarchien bietet der Ranghöhere das „Du“ an – wer dies einfach umgeht, wird häufig als unhöflich und respektlos wahrgenommen
  • Dauer: ein einmal erteiltes „Du“ gilt ein Leben lang – eine Rücknahme ist wie eine Herabsetzung und kann zu Unruhen führen
  • Gegenseitigkeit: ein einseitiges „Du“ sollte es nicht geben, schließlich arbeiten wir auf Augenhöhe

Vor- und Nachteile beim Duzen

Wenn sich Chefs und Mitarbeiter duzen, führt das in der Regel zu einem partnerschaftlichem Klima. Es kann jedoch auch zu viel Nähe erzeugen und manch einer könnte das ausnutzen …

Vorteile

  • mehr Vertrautheit untereinander
  • flache Hierarchien
  • offenere Firmenkultur, auch für neue Kollegen
  • Teamgeist und Gemeinschaftsgefühl werden gefördert
  • wegfallen von förmlichen Barrieren und möglichen Hemmschwellen

Nachteile

  • manche können die Vertrautheit ausnutzen
  • respektvoller Umgang ist erschwert durch die fehlende verbale Distanz
  • kann zu Streitereien unter der Gürtellinie eskalieren
  • zu viele private Dinge am Arbeitsplatz erzählen

Doch nicht alle sind mit der neuen „Du“-Kultur einverstanden. So schrieb Thorsten Müller bereits 2018 in seinem Artikel „Siezen Sie noch, oder duzt du schon? Immer mehr Firmen entscheiden sich für Letzteres – ohne an die Risiken und Nebenwirkungen zu denken“ , wie sich die Firmen mit dem „Du“ ungefragt nähern. Im Geschäftsleben erscheint ihm das übergriffig, da es suggeriere, man gehöre zu einer großen Familie.

Ich denke, für das Anbieten von einem „Du“ gehört ein Gefühl, ob es zur Firmenkultur passt oder der gegenseitige Respekt nicht verloren geht. Gerade bei Menschen, die man schätzt, kann ein späteres „Du“ eine besondere Freude sein. So wirkt die neue Anrede umso wertvoller und verbindend. In der Arbeitswelt gehört das „Du“ mittlerweile zum guten Ton. Ich habe für mich eine Regel gefunden, mit der ich gut fahre: Kinder und Menschen, die (erkennbar) jünger sind als ich, duze ich und biete es aktiv an. Neulich wurde ich wieder von einer 16-Jährigen gesiezt, da kam ich mir tatsächlich alt vor. Bei älteren Kunden oder neuen Geschäftspartnern bleibe ich beim „Sie“, bis sie es von selbst anbieten. Persönlich ziehe ich das „Du“ mittlerweile vor. Nur bei einem könnte ich mir die persönliche Anrede einfach nicht vorstellen – bei (Fach-) Ärzten – da brauche ich die verbale Distanz.

Bei deiner Arbeit stört dich nicht nur das Duzen und du brauchst einen Tapetenwechsel? Dann bist du hier genau richtig!