Wie kommt man eigentlich zum Beruf des Hörakustikers? Das fragen sich viele, die das erste Mal davon hören. Mir persönlich ist nie bewusst gewesen, dass es extra Läden gibt, in denen man Hörgeräte kaufen kann, geschweige denn, dass man die technisch - höchst anspruchsvoll - extra einstellen lassen muss.
Wie alles begann
Mein Weg zur Hörakustik begann mit einem Semester Phonetik an der Universität Trier. Phonetik ist die Wissenschaft der gesprochenen Sprache und ich habe die Thematik geliebt. Da Phonetik aber nur ein Nebenfach war und in Deutschland nur an zwei Universitäten überhaupt gelehrt wird, habe ich mich dann letztendlich gegen das Studium und für eine Ausbildung in dem Bereich entschieden. Am naheliegendsten war die Ausbildung zur Logopädin.
Da diese Art von Ausbildung aber leider sehr teuer ist und ich eigentlich mehr oder weniger so langsam auf eigenen Beinen stehen wollte, habe ich weitergesucht und bin über eine Stellenanzeige eines bekannten großen Hörakustikers gestolpert. Hörakustik? Nie von gehört. Was macht man da? Ich habe es für durchaus interessant empfunden und mich eingelesen. Kann ich mir wirklich vorstellen Hörgeräte zu verkaufen? Wie viele, hatte auch ich ein Bild von einer „stützstrumpffarbenen Banane“ hinter dem Ohr im Kopf. Nichtsdestotrotz habe ich mich bei zwei Hörakustikern beworben. Ich durfte mich persönlich in beiden Läden vorstellen und ein kurzes Praktikum absolvieren.
Letztendlich hat es mir wirklich gut gefallen. Dieser Beruf bietet deutlich mehr, als man sich vielleicht vorstellt. Er verbindet viele Komponenten, auf die ich persönlich in meinem Berufsalltag Wert legen würde. Man arbeitet mit Menschen, bringt ihnen Lebensqualität zurück, indem man einen der menschlichen Sinne – und wie ich finde, einen der wichtigsten Sinne - wieder verbessert. Man darf Fachwissen vermitteln und schafft es im Idealfall jemanden von einem Produkt zu überzeugen, was niemand unbedingt haben möchte, was aber eigentlich in vielen Fällen notwendig wäre. Auch bietet der Beruf als Hörakustiker viele Fort-und Weiterbildungsmöglichkeiten, gerade wenn man sich in eine Richtung spezialisieren möchte.
Was sich alles hinter der Ausbildung verbirgt.
Die Ausbildung ist eine duale, dreijährige Ausbildung. Dual, da der Auszubildende Praxis-Relevantes direkt im Betrieb lernt, während die Theorie dahinter in Unterrichtsblöcken an der Landesberufsschule für Hörakustiker in Lübeck vermittelt wird. Anmerkung: Seit Anbeginn der Hörakustik war Lübeck der einzige Standort für die schulische Ausbildung. (Allerdings hat das Bundesland Nordrhein-Westfalen dieses seit dem Schuljahr 2016/2017 selbst übernommen und bietet daher den Schülern aus NRW Teile des Berufsschulunterrichts in Duisburg und Recklinghausen an.) Dabei spielt nicht nur die technische Funktionsweise eines Hörgerätes eine Rolle (Akustik und Hörgerätetechnik), sondern natürlich auch anatomische Gegebenheiten und Ursachen für einen Hörverlust (Audiologie), Betriebswirtschaft und Politik für die Allgemeinbildung und ein kaufmännisches Verständnis und ganz wichtig, der richtige Umgang mit einem schwerhörigen Menschen (Psychologie und Kommunikation) sind Teil des Lehrplans.
Ein Zusammentreffen aus allen Bundesländern.
Für mich war es spannend mitzuerleben, wie Auszubildende aus dem ganzen Bundesgebiet an einem Ort zusammenkommen, um zu lernen und beruflich weiterzukommen, ganz egal, ob gerade frisch aus der regulären Schule oder als Umschüler, ausgebrochen aus einer vielleicht völlig anderen beruflichen Laufbahn. Viele verschiedene Dialekte, Bräuche und auch Praxiserfahrungen treffen aufeinander. Für diejenigen, die eine lange Anreise haben – was wohl, aufgrund der Lage der Schule in Norddeutschland, aus den meisten Teilen Deutschlands der Fall ist – wird ein Internat direkt angrenzend zur Schule zur Verfügung gestellt. Es werden Freundschaften geknüpft, viel Zeit zusammen verbracht und vielleicht auch die Liebe des Lebens gefunden (Akustiker und Akustiker gesellen sich gut).
Für mich war die Zeit in Lübeck immer eine schöne Zeit. Was vermutlich auch daran lag, dass ich dort oben aufgewachsen bin und endlich einmal Gelegenheit hatte alte Freunde wiederzutreffen und Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Man lernt allerdings erst während eines 40-Stunden-Jobs die Zeit zu schätzen, die man noch während der Schulzeit frei zur Verfügung hatte. Durch die Berufsschule ist der Aufenthalt während eines Schulblockes von drei bis fünf Wochen dann fast wie Urlaub. Und mal ganz im Ernst? Wer hat schon die Gelegenheit – außer man wohnt vor Ort –jeden Nachmittag (besonders in einem Sommerschulblock) an den Strand der Ostsee zu gehen? So ist die Zeit bis zum Ausbildungsende doch recht schnell, und vor allem fast nie langweilig, verflogen.
Doch schon bald war er da: der Prüfungsstress.
Die Prüfungen werden zweigeteilt: schriftlich und praktisch. Zuerst kamen die schriftlichen Prüfungen in Kombination mit dem letzten Schulblock, was für mich generell einfacher ist, als Praxis. Nicht, weil ich für die Praxis nicht ausreichend vorbereitet gewesen war, viel mehr spielt dort besonders die Nervenstärke eine große Rolle. Nichtdestotrotz habe ich die Prüfungen hinter mich gebracht und Ende Juli 2017 hielt ich endlich meinen Gesellenbrief in der Hand. Was war das für ein tolles Gefühl! All die harte Arbeit, die man die letzten drei Jahre geleistet hatte, wurden belohnt.
Nun standen mir so gut wie alle Türen in der Hörakustik offen.
Hier mal ein Artikel zu Fortbildungsmöglichkeiten nach der Gesellenprüfung
Ich entschied mich aber schon im letzten Jahr meiner Ausbildung für eine neue Stelle in einem ganz anderen Teil Deutschlands. Mich zog es zunächst einmal weg von der klassischen Hörakustik, hin in ein Startup-Unternehmen, bei dem ich mehr eine beratende Tätigkeit ausübe, als praktisch am Menschen zu arbeiten. Bisher ist kein Tag vergangen, an dem ich bereut habe, mich gegen ein Studium und für eine Ausbildung in der Hörakustik entschieden zu haben. Ob ich in Zukunft noch einen Schritt weitergehe und mich zum Hörakustikmeister ausbilden lasse, weiß ich noch nicht. Aber vorstellbar wäre es.
Ein kleine Geschichte zum Schluss.
Zu guter Letzt möchte ich euch gerne an einem besonders schönen Moment während meiner Ausbildung teilhaben lassen. Ich habe einige Zeit meiner Ausbildung in einem Kinderhörzentrum gearbeitet, wo es mal eine kleine 8-jährige Kundin namens Khadidsche gab. Sie kam gemeinsam mit ihrem Vater und hat kein Wort gesprochen. Leider litt sie unter einem sehr starken Hörverlust, der einfach viel zu spät bemerkt wurde, weshalb es ihr vergönnt war, richtig sprechen zu lernen. Stellt euch folgende Situation vor: Das Mädchen sitzt meiner Kollegin am Schreibtisch gegenüber, ihr Vater schräg hinter ihr. Immer wenn er ihre Aufmerksamkeit wollte, musste er sie antippen. Als meine Kollegin also nun zum ersten Mal die Hörgeräte während der Anpassung anschaltete, bat sie den Vater seine Tochter beim Namen zu nennen. So sagte er ihren Namen, ohne sie dieses Mal dabei anzutippen. Khadidsche drehte sich lauschend zu ihrem Vater um, welcher just in dem Moment seine Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. Ich muss euch sagen, ich weine nicht schnell bei rührseligen Momenten, aber das war etwas, was man nicht oft im Leben erlebt. Natürlich sind solche Ereignisse im Normalfall nicht alltäglich. Es gibt Menschen, die kommen nur zu dir in den Laden, weil „der Ohrenarzt gesagt hat, ich brauche ein Hörgerät“. Aber es gibt durchaus auch Menschen, die dir wirklich von tiefstem Herzen dankbar sind, dass du ihnen ein Stück Lebensqualität zurückgegeben hast.
Und was gibt’s schöneres, als andere Menschen glücklich zu machen?