TYPEN in der Hörakustik

Nie wieder... unglückliche Gesellin in der Hörakustik!

Veröffentlicht am: 5.11.2017
Autor/in: Gastautor
Tags: #Bewerbung, #Geselle, #Hörakustik, #Jobwechsel, #Vorstellungsgespräch
Lesezeit: Minuten

Was bedeutet es Ü50 und ein “TYP” zu sein?

Typ heißt in diesem Fall:

  • Altgesellin seit einigen Jahren mit viel Berufserfahrung
  • Ständige Unterstützerin in der Ausbildung neuer Hörgeräteakustiker
  • Fachgeschäftsleitung wenn der Meister/in in Urlaub oder krank ist (und das können teilweise Monate sein)
  • „Sachbearbeiterin“ für alle Krankenkassenangelegenheiten
  • „Beratungsfachfrau“ für unsere Kunden
  • „Hygienefachfrau“ für das gesamte Fachgeschäft
  • „Problemlöser“ für universelle Bereiche – Kunden – Kollegen – Firma
  • „Puffersachbearbeiterin“ für die sich oft negativ auswirkenden Ideen aus der Zentrale
  • „Meisterhandlager“ er darf Arbeit schließlich delegieren und tut es gern
  • „Abrechnungsfachfrau“ wenn mein/e Meister/in wie immer keine Lust oder Ahnung hat
  • „Lagerverwaltung“ das letzte Teil benutzen und nicht für Nachschub sorgen, super! „Qualitätsmanagerin“ denn QM und QI ist das Wichtigste in unserem Leben

aber das für mich Wichtigste ist:

ICH BIN AKUSTIKERIN AUS LEIDENSCHAFT !!


Ich mag meine Kunden mit all ihren Schrulligkeiten – denn ich habe die auch. Mit Ü50 bringe ich in meinem Beruf nicht nur das Fachwissen mit, dass ich mir über viele Jahre erworben habe, sondern auch ein Leben voller Erfahrung. Die waren nicht immer nur gut, aber das Potenzial ist riesig. Ich bin in einem Alter, in dem ich mit vielen meiner Kunden auf Augenhöhe reden kann. Viele ihrer alltäglichen Probleme sind mir bekannt und daher finde ich auch schnell eine emotionale Ebene, um gut mit ihnen arbeiten zu können. Und ich komme aus ihrem Lebensumfeld, ich bin hier geboren und verstehe die Mentalität der Menschen. Am Anfang kommen Kunden mit einer Verordnung sicherlich zu einem roten, blauen oder grünen Akustikerbetrieb ,weil sie den Namen schon mal gehört oder die TV Werbung gesehen haben und dann begegnen sie den Menschen hinter diesen Farben.

Wir Menschen in diesen Fachgeschäften machen den Unterschied!

Und das Verständnis für diesen Faktor haben einige Chefs leider vergessen.

Viele Jahre war ich in dem Betrieb, in dem ich arbeite, glücklich und dann fing alles an sich schleichend zu ändern - nicht zum Guten, wie man sich vorstellen kann. Es begann mit einem großen Wechsel in der Geschäftsführung und somit der Wechsel vom Menschlichen zu reinen Zahlen. Für unsere Kunden ist dies nicht spürbar. Wir beraten und betreuen sie fair und optimal und nehmen uns immer die Zeit, die uns möglich ist, um ein persönliches Verhältnis aufzubauen. Das ist es nicht was mich belastet hat, sondern das viel mehr hinter den Kulissen - ohne Anerkennung und Wertschätzung der Leistung!

Es kam im Laufe der Jahre immer mehr Bürokratie und Kontrolle dazu, immer mehr reglementierte Arbeitsanweisungen, die immer mehr an Arbeit in der gleichen Arbeitszeit bei dem immer gleichen geringen Lohn bedeuteten. Interne Audits, externe Audits, Testkäufe und Besuche durch Coaches, Rechtfertigungen, wenn es mal eine ruhigere Phase mit weniger Neuversorgungen gab. Und das Alles in einem Fachgeschäft, das schon über Jahre gute Zahlen schreibt und nie Probleme gemacht hat.

Viele Neuversorgungen möchten gerne zu einem bestimmten Kollegen/in, weil der Bekannte gesagt hat… Also nicht das blaue, gelbe oder rote Schild über der Tür! Wenn es gut läuft, sagt niemand mal persönlich DANKE, dass ihr das geschafft habt. Wenn Auszeichnungen geholt werden, macht es sich niemand aus der Chefetage wirklich bewusst, dass es das „Fußvolk“ in den Fachgeschäften ist, das diese Leistung erbracht hat, sondern man stellt sich lächelnd vor die Kamera und klopft sich selber auf die Schulter.

Und ganz traurig ist es im unteren Bereich der „Nahrungskette“, sprich bei uns Gesellen/innen. Wer von unseren Gehältern eine Familie alleine ernähren muss, muss ein Rechenkünstler sein. Wenn ich in Zeitungen lese, wie das angebliche Durchschnittsgehalt in Deutschland liegt, frage ich mich immer „Wer bekommt meinen fehlenden Teil?“

Die Gehälter sind eine nicht unwichtige Sache, mir sind aber andere Dinge noch viel, viel wichtiger:

Liebe Chefs, gebt Euch doch mal mehr Mühe in der Auswahl der Leute die Ihr zu Meistern bzw. Fachgeschäftsleitungen macht !! Es gibt viele Gute, aber leider genau so viele Inkompetente, die von Menschenführung und Fachgeschäftsleitung keine Ahnung haben. Solange diese Inkompetenten wissen, dass sie machen können, was sie wollen ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen, werden viele Gesellen/innen immer unglücklicher und werden die gleiche Maßnahme ergreifen wie ich.

Ich habe gekündigt und mir eine neue Firma gesucht - Placing-You sei Dank - bei der ich wieder wertgeschätzt werde.


Ein langes, sehr persönliches Vorstellungsgespräch hat mir gezeigt:

  • dass ich nicht die Bequemlichkeit meiner FG-Leitung ertragen und ausgleichen muss… Sozial- und Fachkompetenz sollten Grundvoraussetzung sein und geschult werden

  • dass ich nicht zusehen muss, wie sich Arbeitszeiten gut geschrieben werden, die nicht erbracht wurden, bloß weil man als Leitung die Kontrolle über das System hat und niemand dies hinterfragt und kontrolliert. Kein Geselle/in wird den Vorgesetzten denunzieren mit dem man noch arbeiten muss, und von dem man beurteilt wird… Nehmen Sie den falschen Menschen bitte die Macht aus den Händen und kontrollieren alle gleich.

  • dass nicht nur die Meister gebauchpinselt und die Gesellen/inne als austauschbar angesehen werden… Bitte beschäftigen Sie sich mehr mit den Strukturen und Menschen, die für Sie arbeiten und alles geben. Wir schenken Ihnen unsere Lebenszeit dafür !

Deshalb freue ich mich, :

  • dass meine gute Menschenkenntnis und meine emotionale Arbeitsweise etwas wert sind, weil sie bei den Kunden über Jahre Vertrauen schaffen

  • dass man meiner fachlichen Arbeit traut und sie nicht immer mehr in zwanghafte Strukturen presst, nur um mehr Kontrollmechanismen zu schaffen

  • dass ich mit meinen Ideen in die Fachgeschäftsverantwortung eingebunden werde, so etwas nenne ich Teamarbeit

  • dass ich eine faire Bezahlung für gute Arbeit erhalte, nicht Verschenken von Lebenszeit

  • dass ich vielleicht auch Anderen, die sich hier wiederfinden, Mut mache, was zu ändern

  • dass ich zeigen kann… Ü50 oder Ü40/Ü30 ist kein Alter, um unglücklich zu sein

dass ich als TYP unter TYPEN für TYPEN arbeiten darf !!! gebraucht und nicht benutzt und aufgerieben !!