Tradi vs. Filialist

Wo finde ich meinen Platz als Optiker?

Veröffentlicht am: 27.5.2022
Autor/in: Ann-Katrin
Lesezeit: Minuten

Wer durch die unzähligen Einkaufsstraßen in den Städten schlendert und auf die augenoptischen Betriebe achtet, hat schnell das Gefühl, dass sie sich gleichen. In jeder dieser größeren Einkaufsstraßen finden sich die Filialisten aufgereiht, gerne in unmittelbarer Nähe zum anderen. Dazwischen haben die alteingesessenen traditionellen Optiker über all die Jahre ihren Standort verteidigt. Was beide eint: der Mangel an Fachkräften. Überall wird Personal händeringend gesucht. Doch wo will ich arbeiten? Heute kann ich es mir aussuchen oder mich finden lassen. Vor allem als Optiker, dazu noch Meister, ist es so einfach wie nie. Oder doch nicht?

An manchen Tagen habe ich das Gefühl, dass es in der Branche zwei Welten gibt: die einen Optiker, die nur bei den kleinen Tradis arbeiten wollen und die anderen Optiker, die bei Filialisten „groß“ geworden sind. Klar ist, man muss sich mit den Werten des Unternehmens identifizieren können. Sie nach außen tragen und leben können. Jeder Mitarbeitende soll bestenfalls Botschafter für seinen Laden sein oder werden. Manch einen stellt das vor eine große Herausforderung: wo in dieser Branche bin ich am besten aufgehoben? Ein Blick in meinen Lebenslauf zeigt, wie schwierig es sein kann, seinen Platz zu finden. Ich habe mehrfach die Betriebe gewechselt. Gelernt bei einem kleinen traditionellen Optiker, dann bei zwei Filialisten gearbeitet und nach einer weiteren Ausbildung bin ich wieder bei einem traditionellen Optiker gelandet, nur um nach ein paar Monaten wieder zu gehen. Ich kann dir nicht sagen, ob es besser ist, bei einem kleinen traditionellen Optiker oder bei einem Filialisten zu arbeiten. Beide haben ihre Vor- und Nachteile, haben ihre Sorgen und ihre Erfolge. Zuletzt sind es immer die (Mit-)Menschen, die den entscheidenden Faktor für die Zufriedenheit am Arbeitsplatz stellen.

Masse oder Klasse?

Frech gesagt liegt die Entscheidung, wo ich arbeiten will, heute darin, ob ich Teil der Masse oder in einer Nische sein will. Die Filialisten wachsen, eröffnen immer weitere Geschäfte oder Stores. Ihr Umsatzanteil am stationären Handel steigt und verkleinert die Kuchenstücke, die für die kleinen Tradis übrig bleiben. In den nächsten Jahren wird sich meiner Meinung nach die Teilung zwischen Filialisten und Tradis verstärken: die Masse kann über die Ketten abgedeckt werden, für den Rest wird es eine fachlich fundierte Versorgung mit Spezialisierung auf die Optometrie geben.

Welche Punkte machen für mich einen traditionellen Optiker aus?

Schaut man in die Läden, findest du häufig Independent Label, die sich auf wenige Optiker spezialisiert haben und es auch nur dort zu kaufen gibt. Die Optiker nehmen sich Zeit für eine umfangreiche Beratung, nicht selten kannst du ein, zwei oder mehr Stunden dort verbringen und jede Frage stellen, die fachlich fundiert beantwortet wird. Hochwertige Verkäufe gehören zur Tagesordnung, eine Brille kann mit hochwertigen, individuellen Gleitsichtgläsern gerne 1.500 Euro oder mehr kosten. Ein Großteil der Kundschaft sind Stammkunden – oft sogar generationenübergreifend. Da kommen die kleinen Kinder mit den Eltern und Geschwistern, im Schlepptau die Großeltern. Für alle lässt sich eine Brille finden. Auch die Teams bestehen häufig aus langjährigen Mitarbeitenden, eine Fluktuation derselben ist seltener zu beobachten. Es gibt viele Kunden, die es schätzen, immer den gleichen Ansprechpartner zu haben. Schließlich baut man eine freundschaftliche Bindung auf, manch einer kommt so oft, dass man sich fast wie zuhause fühlt – eben ganz familienorientiert. Apropos Familie: Flexible Arbeitszeiten sind in der heutigen Arbeitswelt eine wichtige Grundlage für die Work-Life-Balance. Nicht jeder kann und will stur seine 40 Stunden abarbeiten. Sonst bleibt kein Raum und Zeit mehr für Erholung, die eigenen Hobbys oder nebenberufliche Tätigkeiten. Der Blick in die Branche zeigt, dass viele Tradis sich zunehmend auf die Optometrie spezialisieren. So kann dem Kunden ein Erlebnis geschaffen werden und ein Bewusstsein für gesunde Augen. Ebenso kann sich Zeit genommen werden, um die Fragen der Kundschaft zu beantworten – ein Bild vom eigenen Augenhintergrund kann überaus spannend sein! Auch wegen der Corona-Pandemie wird sich in den nächsten Jahren der Fokus auf diesen Teil der Optik verstärken.

Welche Punkte machen für mich einen Filialisten aus?

Ganz klar: die Masse! Es geht um schnelle, einfache Verkäufe, die Umsatz bringen. Bei vielen Kunden reicht ein Sehtest, die Dioptrien sind häufig nicht sehr hoch. Sie wollen und kaufen günstige Brillen, sind gerne auf ein Schnäppchen aus. Vielfach sind sie auf bestimmte Marken fokussiert und nehmen eine zweite Brille gleich mit dazu. Durch die jüngsten Ketten verstärkt sich der modische Aspekt und nicht selten wollen die Kunden ihre Brille auch mal tauschen – sie soll schließlich zum Outfit passen. Gerade die jüngere Kundschaft hat da ein Faible für entwickelt. Durch die Verknüpfung mit dem Online-Handel erreicht man sie auch eher, weil sie auf den unterschiedlichsten Social-Media-Kanälen unterwegs sind und führt sie dadurch teilweise in die stationären Geschäfte. Ich für meinen Teil empfinde den Altersdurchschnitt bei Filialisten immer deutlich jünger als bei den traditionellen Optikern. Nicht nur die Kundschaft ist jünger, auch die Teams selbst. Durch junge Menschen, die auch gerne etwas Neues ausprobieren, ist allerdings die Fluktuation unter den Mitarbeitenden höher. Auch wenn Filialisten eher längere Öffnungszeiten haben (gerade in den Einkaufscentern), sind sie hier mit den Arbeitszeiten flexibler und können besser auf individuelle Wünsche eingehen – ein Punkt, den ich sehr zu schätzen gelernt habe. Oder ich kann in einer anderen Filiale aushelfen, wenn dort das Personal knapp ist. Neue Orte und Mitarbeitende kennenlernen, andere neue Kunden und doch ist es immer für das gleiche Unternehmen, was sich in den gleich aufgebauten Stores bemerkbar macht und sich als schnelle „Einarbeitung“ als sehr nützlich herausgestellt hat. Auch ein Punkt, der mir schon immer gefallen hat. Er bringt mich persönlich weiter und ich kann meine Erfahrungen in meinen Büchern und Artikeln verarbeiten.

Letztlich musst du für dich entscheiden, welche Punkte dir, bezogen auf dein eigenes Lebenskonzept, wichtig sind. Manchmal gibt es im Leben Phasen, da passt das eine besser als das andere. Wo ich hingehe oder bleiben werde, wird sich zeigen. Und wie ist es bei dir? Du kannst dich gerne kostenlos und anonym durch die Stellenanzeigen von traditionellen Optikern und Filialisten bei Placing-Me klicken. Vielleicht wartet dein neuer (Traum-)Job, von dem du noch nichts weißt, nur einen Mausklick entfernt auf dich!