Bewerbungen schreiben… Vorstellungsgespräche führen… Einen Vertrag aushandeln… Das steht dir alles noch bevor?
Nach dem Abitur stand ich, vor genau derselben Misere, wie ihr vielleicht heute. Ich hatte keinen Plan! Ich hatte zwar schon die ersten Bewerbungen rausgeschickt, aber da war immer ein kleiner Zweifel dabei, ob es am Ende wirklich das Richtige sein würde.
Erkenntnis Nummer Eins – Das Richtige gibt es „so” gar nicht mehr
Die Welt dreht sich heute um einiges schneller, als noch zu den Jugendtagen unserer Eltern. Eine technische Entwicklung, kann einen Stein ins Rollen bringen, der ganze Branchen innerhalb kurzer Zeit umkrempeln kann. Der Job, den du gestern noch super interessant fandest oder in dem du einfach als Angestellter „saumäßig gefragt” warst, kann morgen schon ein ganz anderer sein.
Für uns in der Hörakustik, oder bei Kollegin in der Augenoptik, sieht es zwar im Moment ganz gut aus, aber selbst wenn du mal die Nase voll hast und dir etwas Anderes aussuchst – so verrückt und vielfältig wie das Leben und die Berufswelt heut zu Tage ist, ist es doch ganz verständlich, dass sich auch deine Wünsche und Ziele für die Zukunft immer wieder verändern.
Erkenntnis Nummer Zwei – Finde heraus, was für ein Typ du bist
Was? Typ? Als ich zur Schule gegangen bin, war mein Leben recht einfach gestrickt – Schule fiel mir verhältnismäßig leicht und meine Freizeit verbrachte ich mit Hobbies und Freunden. Dass was ich in der Schule lernte, hat sicherlich alles irgendwo seine Berechtigung… nur aus irgendeinem Grund wurden viele meiner Lehrer verlegen und wichen einer bestimmten Frage immer wieder aus – du kennst die Frage! „Wozu brauch ich das später mal?!?” Für mich war das alles damals, zu weit weg von der realen Welt. Kann ich mit Vektorberechnung meinen Einkauf an der Kasse bezahlen geschweige denn meine Steuererklärung machen? Ich denke ihr wisst alle was ich meine :slight_smile:
Und was hat das jetzt mit dem Typ zu tun? Das, was ich dir oben beschrieben habe – hat mich, in noch krasserer Form, im Studium erwartet. Ich kannte damals nur „Schule” und habe mich tatsächlich dazu hinreißen lassen, mich für ein Biowissenschaften-Studium einzuschreiben. Theorie in seiner reinsten Form… Für mich stand nach vier Wochen Studium fest – das ist schlicht weg nicht meine Welt! Eine Woche später, fing ich mein erstes Praktikum bei einer Berliner Produktionsfirma an. Bäähm! Ab jetzt standen die Zeichen auf „Hands-On” und „Learning-by-Doing”! Die Theorie gab es hier gleich zum Anfassen. Eine Tatsache, die ich in meiner jetzigen Umschulung an der LBS Lübeck sehr genieße!
Die Frage, ob du vom Typ eher der Theoretiker bist oder mehr Praxisbezug brauchst, solltest du meiner Meinung nach, nicht auf die leichte Schulter nehmen. Das führt am Ende nur zu Frust.
Erkenntnis Nummer Drei – Praktikum, ein erster Schritt durch die Tür
Du interessierst dich für einen Beruf? Wenn du dieses Interesse mit Informationen stillen möchtest, wirst du keine Argumente finden, die gegen ein Praktikum sprechen. Sogar ein Praktikum, das dir die Augen öffnet und dir bewusstmacht, was du später einmal nicht möchtest, kann Gold wert sein. Hauptsache du hast dir dein eigenes Bild gemacht und die Sache ausprobiert.
Wenn dir dein Praktikum gefällt, wirst du ganz schnell Feuer und Flamme für deine neue Tätigkeit. So etwas merken auch deine Kollegen und Vorgesetzten – und hier beginnt die Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Niemand kauft gerne die Katze im Sack, weder du, noch der Chef, der dir vielleicht einen Ausbildungsplatz geben möchte.
Also nutze die Zeit eines Praktikums im so viel mitzunehmen wie du kannst und wirst im Rennen um den nächsten Ausbildungsplatz die Nase vorne haben.
Erkenntnis Nummer Vier – Sei du selbst in der Bewerbung
Du hast im Internet DIE perfekte Vorlage für alle deine Bewerbungen gefunden. Vergiss es! Jeder Arbeitgeber kennt diese Texte und hat meist einen ganzen Haufen davon auf seinem Tisch zu liegen. Deine Aufgabe ist es, aus diesem Haufen herauszustechen – ja das ist nicht ganz einfach. Aber du wirst merken, wenn deine Bewerbung auch dem entspricht, wie du tickst – dann wird dir vor allem das Bewerbungsgespräch um einiges leichter fallen. Nichts ist schlimmer, als sich krampfhaft zu verstellen und dabei zu versuchen entspannt zu wirken.
Das waren einmal meine ganz persönlichen Tipps, die ich einem jungen Menschen mit auf den Weg geben würde. Wie ich auf diese Tipps gekommen bin und wohin Sie mich geführt haben, erzähle ich dir jetzt.
MEIN ganz persönlicher Weg in der Hörgeräteakustik
Bis vor knapp einem Jahr, hatte ich mit Hörakustik rein gar nichts zu tun. Nach dem Abi, bin ich recht schnell beim Fernsehen gelandet.Ich habe nach zwei Praktika die Ausbildung zum Film- und Videoeditor absolviert. Als ich 2016 auf die ersten Imagefilme von Hörgeräteakustikern und Hörgeräteherstellern gestoßen bin, war schnell klar, mit dem Wissen, das ich aus meiner Video- und Audiozeit habe, werde ich in der Hörakustik punkten können.
Anders als du vielleicht heute, hatte ich im Sommer 2016 ja bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung, ich wohnte in einer eigenen Wohnung und hatte natürlich meine alltäglichen Kosten zu tragen. Alleine die letzten beiden Punkte, schrecken viele Leute ab und sie versauern in Berufen, die sie nicht mehr glücklich machen.
Keine Ausbildung zum Hörgeräteakustiker, sondern eine Umschulung
Ich hatte tatsächlich Glück. Als mich das Interesse am Beruf des Hörakustikers gepackt hat, war klar, ich musste einen Weg finden das Ganze zu finanzieren. Hier ist ein bisschen Eigeninitiative gefragt. Der Beruf des Hörakustiker ist in Deutschland nicht nur ein anerkannter Ausbildungsberuf. Nein, auch über eine Umschulung kannst du diesen Beruf erlernen. Dazu gibt es auch die Möglichkeit, für die Zeit der Ausbildung, eine Förderung für die Ausbildung zum Hörgeräteakustiker zu beantragen.
Schritt Eins stand also fest, auf zur Agentur für Arbeit und meine Arbeitsvermittlerin über meinen Wunsch informieren. Sie war begeistert! Jeder Arbeitsvermittler weiß, die Arbeitnehmer aus den Medien sind, sehr oft mit kurzen Phasen der Arbeitslosigkeit konfrontiert. Als sie gehört hat, dass ich in die Hörakustik will – einer Branche mit 99% Vollbeschäftigung und top Aussichten für die kommenden Jahre, war ihre Antwort recht kurz und knapp: „Find ick jut, kriegste!” (man muss die Berliner Schnauze einfach lieben).
Wenn du dir jetzt denkst, cool das möchte ich auch mal probieren, sprich deinen Sachbearbeiter direkt an und frage, wie er oder sie zum Thema „innerbetriebliche Einzelumschulung” steht.
Hier geht es quasi um die berufliche Wiedereingliederung. Wenn du z.B. deinen alten Beruf, nach einem Unfall nicht mehr ausüben kannst, ist die Rentenversicherung bzw. die Unfallkasse für dich zuständig und die Umschulung wird eher als eine berufliche Rehabilitation angesehen.
Das Okay von meinem späteren Kostenträger hatte ich also schon einmal.
Nächster Schritt: Einen Ausbildungs- bzw. Umschulungsbetrieb finden
Jetzt hieß es also wieder Bewerbungen, für Hörgeräteakustiker, schreiben. Ich muss manche der Bewerbungen genau zur richtigen Zeit rausgeschickt haben. Zumindest hatte ich in den darauffolgenden Wochen etliche Termine bei verschiedenen Hörgeräteakustikern bekommen. Jahrelang bin ich durch Berlin gefahren, ohne zu merken, wie verdammt viele Akustiker es überhaupt gibt. Damit meine ich sowohl die „Großen” (GEERS, KIND, Amplifon, Fielmann, Brillen Rottler, Pavel Hörgeräte usw.), als auch sehr viele kleine inhabergeführte Geschäfte.
Die Frage ob du deine Ausbildung bei einem großen Hörgeräteakustik-Unternehmen oder lieber bei dem kleinen Hörgeräteakustiker um die Ecke machst, solltest du nicht auf die leichte Schulter nehmen. Mir war es wichtig, mir von beidem ein Bild zu machen, bevor ich diese Entscheidung treffe.
Mein erster Tag beim Hörgeräteakustiker
Kurz nach den ersten Bewerbungen folgte auch schon das erste persönliche Gespräch, gefolgt von einem dreitägigen Probearbeiten, bei einem Hörgeräteakustiker mit zwei Filialen in Berlin. Hier hatte ich überhaupt zum ersten Mal selbst ein Hörgerät in der Hand. Auch Menschen mit Hörgeräten sind mir bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst aufgefallen. Deswegen fand ich es sehr beeindruckend zu sehen, wie viel ein modernes Hörsystem bringen kann. So passiertes Beispiel an meinem ersten Tag: Ein Kunde kommt gegen Mittag in das Geschäft. Sofort spricht die Akustikerin ihn persönlich an, man kennt sich seit vielen Jahren. Seine Hörgeräte geben keinen Ton mehr von sich, schildert er sein Anliegen, an den Batterien liege es nicht, dass habe er schon ausschließen können. Wie gesagt, die beiden kennen sich schon lange, da quatscht man schon mal über Haus und Kind oder darüber was in der Nachbarschaft so los ist.
Ohne funktionierende Hörgeräte musste er dabei selbst sehr laut sprechen. Am Ende war der „Fehler” ein „Klassiker”.
Die Otoplastik war mit Ohrenschmalz zugesetzt. Weil wir Akustiker aber auf Fachbegriffe stehen, nennen wir das ganze beim lateinischen Namen und nennen es eben Cerumen. Der Vorher-Nachher-Unterschied, als sein Hörgerät fertig gereinigt war, war gigantisch! Beim Einsetzen der Hörgeräte merkte man, wie seine eigene Stimme wieder leiser wurde und er keine Probleme mehr hatte den Worten der Hörgeräteakustikerin zu folgen. Für mich war es das erste Mal, dass ich diesen Unterschied bei einem Menschen mit Hörverlust live beobachten konnte.
Keine Ohrstücke fräsen beim Probearbeiten?
Noch in derselben Woche, hatte ich schon das nächste Bewerbungsgespräch. Diesmal bei Geers Hörgeräte, einer der großen Ketten in Deutschland. Das Gespräch selber, war direkt in dem Fachgeschäft, in dem ich später meine Ausbildung beginnen sollte. Mit dem Meister habe ich mich auf Anhieb super verstanden und nach einem kurzen Einstellungstest, haben wir schon das nächste Probearbeiten vereinbart. Hörgeräteakustiker lernen während ihrer Ausbildung in der Firma und an der Landesberufsschule für Hörakustik in Lübeck u.a. auch das Fräsen von Otoplastiken. Deshalb wollte der Meister sehen, wie ich mich an der Fräse anstelle. Da ich zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung von der Anatomie des Ohres hatte, war meine Aufgabe aber kein Ohrstück, sondern ein Dinosaurier. Ich geb’s zu… es sollte auch nicht der Letzte gewesen sein :wink:
Mein erster Versuch am Fräser – die Dinoplastik :slight_smile:
Zwei Tage später kam der Rückruf von Geers Hörgeräte. Ich hatte meine Zusage zum neuen Ausbildungsplatz als Hörgeräteakustiker sicher! Ich freute mich riesig, hatte zu diesem Zeitpunkt aber noch keinen Vertrag unterschrieben und in meinem Terminkalender standen noch weitere Bewerbungsgespräche bei anderen Hörgeräteakustikern an. Was soll’s dachte ich mir und bin trotz der Zusage bei Geers Hörgeräte, zu allen Gesprächen gegangen.
Das Gespräch im „Mischbetrieb” – Augenoptiker + Hörgeräteakustiker
Ein sehr unterhaltsames Gespräch hatte ich mit dem Meister eines kleinen inhabergeführten Augenoptikers, der vor vielen Jahren noch den Hörgeräteakustik-Meister dazu gemacht hat. Da der Laden quasi 50/50 Brillen und Hörgeräte verkaufte, würde ich zwangsweise auch in die Augenoptik reinschnuppern müssen. Wir konnten gut miteinander und er hatte vollstes Verständnis dafür, als ich ihm erklärte, dass mich Augenoptik… nun ja… mal so gar nicht interessiert. Da es in seinem kleinen Geschäft aber zum Teil vermischt laufen muss, haben wir es bei einem netten Kennenlernen belassen.
Ehrliche Worte bei KIND
Die letzte Erfahrung, die ich in diesem Zusammenhang mit dir teilen möchte, hatte ich bei KIND Hörgeräte. Der erste Unterschied hier war, dass der Einstellungstest bei KIND Hörgeräte online und vorab erfolgt. Der Test ist zeitlich sehr umfangreich und man sollte sich dafür wirklich Ruhe gönnen. Ein richtiger oldschool Taschenrechner sollte auch nicht fehlen :wink:
Nach Abgabe des Onlinetests erhielt ich nach wenigen Tagen eine Mail von der Personalabteilung mit meinem nächsten Termin für ein Bewerbungsgespräch. Auch wenn ich nicht bei KIND Hörgeräte gelandet bin, das Gespräch bei dem ich war, war sehr hilfreich. Trotz eines kleinen Missverständnisses. Der Meister vor Ort, hatte überlesen, dass ich eigentlich keine klassische Ausbildung suche, sondern eine Umschulung machen möchte. Was dann folgte, finde ich bis heute hoch anständig und ehrlich von dem Meister mit dem ich sprach. Er erklärte mir, dass sein Fachgeschäft sehr gut läuft und es immer sehr viel zu tun gibt. Als Umschüler verkürzt man seine Ausbildung um ein Jahr. Ein Jahr das einem zum Lernen fehlt, ein Jahr das aber auch dem Meister fehlt, seinen Lehrling fit zu machen. Als Meister steht er indirekt für die Leistungen seines Lehrlings. So viel wie aktuell zu tun sei, könne er nicht garantieren, dass er sich ausreichend Zeit für mich als „Verkürzer” nehmen könne. Aus Fairnessgründen wollte er, dass ich dies weiß. Wir haben lange über die Ausbildung in Lübeck gesprochen und er hat mir viel über den Ablauf der Ausbildung erklärt. Da er merkte, dass ich richtig Bock auf das Thema Hörakustik habe, wollte er mich aber auch nicht einfach ziehen lassen und hat mich direkt, für ein Probearbeiten in einer anderen Berliner Filiale weitergeleitet. Das fand ich super von ihm und bin sehr dankbar für seine ehrlichen Worte. Am darauffolgenden Montag hatte ich schon mein Probearbeiten in einem anderen KIND Hörgeräte Fachgeschäft. Das ich am Ende den Vertrag bei Geers Hörgeräte unterschrieben habe lag tatsächlich an meinem späteren Meister. Das hat einfach auf Anhieb gepasst.
Ein Blick zurück auf ein Jahr Hörgeräteakustik
Nun habe ich mein erstes Jahr in der Hörakustik fast hinter mich gebracht. Ein tolles Jahr. Ein Jahr in dem ich viele nützliche Kontakte knüpfen konnte, aber auch ein Jahr, in dem ich viele, viele coole Leute kennen lernen durfte. Viele davon werde ich schon bald wiedersehen.
In zwei Tagen fahre ich zu meinem nächsten Block an die Landesberufsschule für Hörakustik. Wenn du wissen willst, was im Block 4, nach dem neuen Lehrplan passiert oder was in Lübeck so abgeht, schau wieder auf unserem Placing-You-Blog vorbei. Wir haben für dich coole Sachen in den Startblöcken!
COOMING SOON!