Es gibt viele verschiedene Seiten beim Abschied aus der Firma, in der man viel Zeit verbracht hat und die man jetzt aus „eigenem“ Wunsch verlässt:
- Es ist die Perspektive auf den neuen Job mit den gewünschten Veränderungen
- Es ist das Verlassen ungeliebter Strukturen
- Es ist die Verabschiedung von Kollegen/innen, die man nicht so toll fand
- Es ist vielleicht eine gewünschte räumliche Veränderung, ein Umzug
- Es sind evtl. finanzielle Verbesserungen, die mehr Unabhängigkeit schaffen
- Es ist die Ausgeglichenheit, die wieder in dein Privatleben einkehrt
- Es sind die neuen Menschen und neuen Möglichkeiten ,die man kennenlernt
- Es ist die 2. Chance, schlecht gelaufene Dinge besser zu machen
- Es ist vielleicht die Chance, sich fortzubilden und nicht mehr still zu stehen
„irgendwas von Dir bleibt hier..“Trude Herr
aber da sind auch die negativen Dinge:
- Da sind die Kunden, die man über den Abschied informiert und, die plötzlich weinend vor dir stehen, und fragen „Was mache ich denn jetzt ?“ und man ist so hilflos…
- Da sind die Kollegen/innen die deinen Arbeitsalltag schöner gemacht haben
- Da sind die guten Strukturen, die deinen Arbeitsalltag sinnvoll organisiert haben
- Da sind Freunde und Familie, die man bei einem Umzug zurück lässt
- Da ist die Umstrukturierung des Privatlebens, die ein neuer Job mit sich bringt
- Da ist die Furcht im neuen Job und bei den neuen Kollegen/innen nicht Fuß zu fassen
- Da ist die Angst davor, ob es die richtige Entscheidung war
Aber JA, es ist die einzig richtige Entscheidung!!!
Es gibt aber auch noch die etwas anderen Perspektiven:
Im Laufe der Jahre habe ich mir viel Wissen angeeignet. Aus meinem ersten Betrieb, in dem ich meine Ausbildung und mein erstes Gesellenjahr verbracht habe, konnte ich ein fundiertes Wissen für Otoplastikfertigung mitnehmen. Ich habe in einem Familienbetrieb mit 5 Fachgeschäften gearbeitet und in unserem Fachgeschäft war das Labor für alle Anderen.
Die Otoplastiken wurden selber gefertigt, egal ob hart oder weich, ob aus Silikon oder anderen Materialien.Wir hatten die Kunden live vor uns und konnten sehr individuell arbeiten. Farben, Formen, Glitzer usw. konnte den speziellen Kundenansprüchen entsprechend gefertigt werden.
Die handwerkliche Arbeit stand ganz weit oben. Ich bekam ein Auge für Feinheiten und Machbares. Für einen kleinen Jungen eine Oto mit einem Fußballspieler in seiner Vereinsfarbe..Kein Problem. Für einen Ferrari Fan eine rote Oto mit einem springenden gelben Pferd..OK. Und dieses handwerkliche Wissen nahm ich mit in meinen neuen Betrieb.
In meinem neuen Betrieb gab es nun aber ein Labor für die Fertigung. Die Otoplastiken, die geliefert wurden, entsprachen irgendwie nie meinen Ansprüchen. Langweilig, grob, hier zu viel und dort zu wenig Material und viel zu wenig Kreativität. Nun ja. Wo ein Wille, da ein Weg. Viele Otos ließen sich durch kleine Veränderungen optimieren.
Und der Betrieb ließ es ja auch nicht anders zu. Hier wurde auch die intensive Schulung der Azubis im Bereich Otoplastik nicht so hoch bewertet…fräsen ja, aber alles nur in Grundmaßen. Musste halt für die Prüfung reichen. Ich fand es aber immer toll, dem Nachwuchs hier mehr zu geben. Neue Sichtweisen und Ideen wie sie handwerklich besser werden. Hat Spaß gemacht…..Auch der Bruchtest wenn die crushelix oder der Ring mal wieder zu filigran waren. Es hat sie weitergebracht.
In meinem neuen Betrieb gab es aber auch neue Strukturen, die die Bearbeitung von Vorgängen in feste Bahnen lenkte. Sei es in der Beratung von Kunden, in der Zusammenarbeit mit Krankenkassen und HNO-Ärzten oder auch alltägliche Abläufe. Vieles habe ich neu verinnerlicht.
Und eines sei gewiss : Die positiven Elemente und das Wissen hierüber werde ich in meinen neuen Betrieb mitnehmen. Niemand kann es mir nehmen.Ich weiß über unseren zukünftigen Mitbewerber (und heutigen Arbeitgeber) genau Bescheid. Ich kenne seine Stärken und seine Schwächen nach so vielen Jahren genau.
Und da ich am gleichen Ort bleibe, werde ich viele meiner „alten“ Kunden wiedertreffen, sei es auf dem Wochenmarkt, bei meinen Einkäufen usw. Ich lebe in meinem alten und neuen Arbeitsumfeld, bin dort geboren und zuhause. Bei der Verabschiedung von „meinen“ Kunden durfte ich aus vertraglichen Gründen nicht sagen wohin ich gehe. Aber wenn ich als Privatmensch gefragt werde, was ich jetzt mache und wo ich stecke…..werde ich antworten. Was die Menschen, die gefragt haben, daraus machen kann ich nicht beeinflussen, nur weiß ich heute schon, dass einige nachkommen werden. Und ehrlich gesagt, macht es mich stolz !!!!! Sie kamen nach dem ersten Kontakt nicht zu dem grünen, roten oder blauen Schild über der Tür, sondern zu mir oder meinen Kollegen/innen.
_„Die Menschen im Fachgeschäft machen den Unterschied“._
Mein Fazit als Tipp für alle Arbeitgeber:
Wenn Ihr gute Mitarbeiter habt, die Ihren Job mit Leidenschaft ausfüllen, seht sie nicht als austauschbar an. Hört auf die Dinge, die ihnen wichtig sind. Wertschätzt ihre Arbeit, zahlt einen fairen Lohn und füllt sie mit einem „Wir gemeinsam“ Gefühl und nicht oben gegen unten.
Jeder gute Kollege/in der/die sich nicht wohl fühlt wird über kurz oder lang gehen und was mitgenommen wird, ist Wissen und Kunden. Könnt Ihr euch das auf Dauer leisten ??? Manche Kollegen, die bleiben, haben sich oft einfach nur ergeben oder sind vielleicht auch nicht bereit sich mit viel Einsatz einzubringen und laufen nur mit. In vielen Unternehmen ist das so einfach.Irgendwer wird die Arbeit schon machen. Viel Freude mit solchen „Fachkräften“.
Versucht doch einfach mal aus Dingen zu lernen die um euch herum passieren. Gebt den Menschen, die euch Lebenszeit geben, ihr Wohlgefühl zurück durch Wertschätzung und Sie werden euch so viel zurückgeben, was eure Unternehmen erfolgreicher macht.
Es grüßt Euch „Der Typ unter Typen“