Das Auge und seine Fehlsichtigkeiten

Teil 3: Das menschliche Auge kann auf vier Arten fehlsichtig sein

Veröffentlicht am: 17.12.2021
Autor/in: Ann-Katrin
Lesezeit: Minuten

Rund 41,1 Millionen Menschen brauchen eine Sehhilfe. Das legt eine Brillenstudie vom Institut für Demoskopie Allensbach von 2019 nahe. So tragen zwei von drei Menschen eine Brille, Tendenz steigend. Ist die Sehkraft eingeschränkt, gehen viele wichtige Informationen aus dem Alltag verloren, denn rund 90 Prozent der Sinneseindrücke nehmen wir mit den Augen wahr. Im dritten Teil der Serie “Das Auge” schauen wir uns die vier wichtigsten Fehlsichtigkeiten des menschlichen Auges an.

Bei einem emmetropen Auge (normalsichtig) bricht das Licht durch Linse und Hornhaut, bis es auf die Netzhaut trifft und ein scharfes Bild erzeugt. Doch nicht alle Augen sind gleich: manche Augäpfel sind länger, andere kürzer gebaut. Linse und Hornhaut können unterschiedlich stark brechen, sodass sich die Lichtstrahlen nicht mehr auf der Netzhaut bündeln. So entstehen verzerrte Bilder, die sich in vier Arten der Fehlsichtigkeit einteilen lassen: Myopie (Kurzsichtigkeit), Hyperopie (Weitsichtigkeit), Astigmatismus (Stabsichtigkeit) und die Presbyopie (Alterssichtigkeit).

Myopie

Wer myop (kurzsichtig) ist, sieht in der Ferne unscharf. Nahgelegene Dinge sind gut erkennbar. Die übermäßige Naharbeit am Bildschirm, auf dem Smartphone oder Tablet fördert die Entstehung bzw. das Fortschreiten der Myopie. Bei einem myopen Auge ist die Brechkraft im Verhältnis zur Augenlänge zu stark. Linse und Hornhaut brechen die Lichtstrahlen stärker und diese bündeln sich vor der Netzhaut, da meistens der Augapfel zu lang ist. Stark kurzsichtige Menschen haben meist eine Kombination aus großer Brechkraft und einem (zu) langen Augapfel. Sehhilfen haben einen negativen Dioptriewert (Maßeinheit für Lichtbrechung, wird als Kehrwert in Meter angegeben), um die Brechkraft zu verringern (die Lichtstrahlen zerstreuen) und somit den Sehfehler auszugleichen.

Die Myopie lässt sich in drei Kategorien einteilen:

  • leichte Myopie bis -3,0 dpt
  • mittelere Myopie von -3,0 bis – 6,0 dpt
  • hohe Myopie über -6,0 dpt

Je höher die Myopie, desto höher sind die Risiken, eine Folgeerkrankung am Auge (Stichwort Glaukom, Grauer Star) zu erleiden, schlechter zu sehen oder sogar fast blind zu werden (Stichwort Netzhautablösung).

Hyperopie

Bei einem hyperopen (weitsichtigen) Auge ist es umgekehrt wie bei einem myopen Auge: Dinge werden in der Nähe schlechter gesehen als in der Ferne. Häufig haben Hyperope jedoch den Eindruck, dass sie gut sehen können. Sie äußern häufig, dass sie unter Überanstrengung, brennenden oder tränenden Augen oder Kopfschmerzen leiden. Denn die Augen können die Fehlsichtigkeit ausgleichen, indem sie ihre Ziliarmuskeln (Linsenmuskeln) anstrengen. Aber die Muskeln können (irgendwann) nicht mehr entspannen. Im Verhältnis zur Augenlänge brechen Linse und Hornhaut zu schwach. Der Brennpunkt der Lichtstrahlen und somit das scharfe Bild liegen hinter der Netzhaut. Je näher ein Gegenstand sich vor dem Auge befindet, desto schlechter sehen die Betroffenen. Der Augapfel ist oft verkürzt. Eine Hyperopie ist angeboren und verwächst sich bei kleinen Kindern – Experten gehen davon aus, dass rund 80 Prozent der Kleinkinder weitsichtig sind. Hohe Hyperopien müssen schon im Kindesalter ausgeglichen werden, um Fehlstellungen der Augen (Schielen) oder eine Amplyopie (Sehschwäche) zu korrigieren bzw. zu verhindern. Die Sehhilfen haben einen positiven Dioptrienwert, um die Lichtstrahlen zu bündeln und somit den Sehfehler auszugleichen.

Astigmatismus

Die Stabsichtigkeit oder auch Hornhautverkrümmung tritt häufig gemeinsam mit einer Myopie oder Hyperopie auf. Sie ist meist eine angeborene Fehlsichtigkeit und wird durch eine ungleichmäßig gewölbte Hornhaut verursacht. Bei einem emmetropen Auge ist sie kugelförmig und bricht die Lichtstrahlen punktförmig. Eine verkrümmte Hornhaut bricht die Lichtstrahlen hingegen unterschiedlich stark. Dadurch treffen sie nicht punktförmig, sondern stabförmig auf die Netzhaut. Der Astigmatismus wird mit „Punktlosigkeit“ übersetzt. Betroffene sehen in Ferne und Nähe gleich schlecht. Ein Astigmatismus von 0,5 dpt ist bei einem menschlichen Auge normal und stellt häufig eine kleine Abweichung der Kugelform dar.

Ist die Hornhaut irregulär verformt, wie zum Beispiel bei einem Keratokonus, kann der Astigmatismus nicht unbedingt mit einer Brille auszugleichen. Harte Kontaktlinsen sind nötig. Ebenfalls kann durch Verletzungen der Hornhaut, Lidtumore oder Lidfehlstellungen eine irreguläre Hornhautkrümmung entstehen. Bei Sehhilfen wird mit torischen Linsen korrigiert, da sie die Lichtstrahlen scharf und punktförmig auf die Netzhaut bündeln können. Angegeben wird der Astigmatismus in negativen Dioptrien und mit der Abkürzung Zylinder versehen. Die Achse gibt die Richtung an, in der die zylindrischen Gläser oder Linsen wirken, um den Sehfehler auszugleichen.

Presbyopie

Die Augenlinse altert wie der Mensch selbst. Etwa ab der Mitte des Lebens büßt die Linse ihre Fähigkeit zur Akkommodation (Umstellung Nah- zu Fernsehen) allmählich ein. So rutscht der Nahpunkt, an dem das Auge scharf sehen kann, immer weiter in die Ferne. Vielen Menschen fällt das beim Lesen auf, wenn Preisschilder oder die Zeitung unschärfer werden. Der Vorgang ist nicht aufzuhalten, da sich die Struktur innerhalb der Linse von weich und elastisch zu hart und unflexibel ändert. Die Addition (Nahzusatz), den die Linse als Unterstützung benötigt, wird in positiven Dioptrien angegeben. Einen Vorteil haben kurzsichtige Menschen bis rund drei Dioptrien: sie können ihre Brille für die Ferne absetzen und sehen in der Nähe auch im hohen Alter scharf.

Im ersten Teil der Serie “Das Auge” haben wir uns ein paar bekannte Fakten rund um das menschliche Auge angeschaut. Der zweite Teil hat ein paar weitere kuriose Fakten zu Tage gefördert. Im vierten Teil der Serie soll es um das Myopie-Management gehen - wie kann die weltweit zunehmende Myopie gebremst werden?

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet und das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für beide Geschlechter.