Der gute alte Führerscheinsehtest

Warum eine wiederkehrende Pflicht sinnvoll ist

Veröffentlicht am: 23.9.2022
Autor/in: Ann-Katrin
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Das blaue Schild auf der Autobahn kommt immer näher, die weiße Schrift darauf ist verschwommen. Einzelne Buchstaben kann ich erst lesen, als ich auf wenige Meter heran gefahren bin. Nach Stuttgart geht es geradeaus weiter. Auch das Schild mit der Geschwindigkeit kann ich erst entziffern, als ich fast daran vorbeifahre. So geht es vielen Menschen, zumindest ist das der Eindruck, denn ich in letzter Zeit habe. Eine halbe Dioptrie mehr Hyperop oder Myop ist keine Seltenheit. Dementsprechend ist der Visus herabgesetzt und doch kommen die Menschen nicht gleich zum Optiker - „Weil ich sehe ja noch gut mit der Brille!“ An solchen Tagen frage ich mich, ob ich einen verpflichtenden Sehtest für das Führen eines Autos für sinnvoll halte.

In den letzten Tagen ergaben sich zwei interessante Gespräche über genau dieses Thema: Beide (er Busfahrer, sie Stadtbahnfahrerin) kamen zu mir in den Laden, da sie ihre Fahrerlaubnis verlängern lassen wollten. Ihre Betriebsärztin, die sie alle fünf Jahre aufsuchen müssen, um die Verlängerung zu beantragen, hat sie zu mir geschickt. Der Visus mit der (fehlenden) aktuellen Brille reiche nicht aus und man benötige die aktuelle Refraktion nebst dem dann erreichten Visus – der bei 1 liegen soll. Mit den neuen Brillen schaffen beide das gewünschte Ergebnis. Ob sie ihre Brillen dann auch aufsetzen ist jedoch ein anderes Thema.

Laut Bußgeldkatalog 2022 kann das Fahren ohne entsprechende Brille oder Kontaktlinsen (bei Vermerk im Führerschein) ein Verwarngeld von 25 Euro nach sich ziehen. Je nach Verkehrssituation (bei einem Unfall oder der Gefährdung von Personen) können weitere Paragraphen in Kraft treten, die eine höhere Strafe zur Folge haben, wie Geldbuße, Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, drei Punkte in Flensburg und einem Entzug der Fahrerlaubnis.

Ich halte den Betrag für lächerlich gering. Wer mutwillig eine schlechtere Sicht in Kauf nimmt, auch bei kurzen Strecken, die man ja kennt, gefährdet sich und andere Personen unnötig. In jeder Straße kann sich ein Kind von der Hand der Eltern losreißen und vor das Auto laufen. Gerade das Verwarngeld sollte deutlich höher angesetzt werden – auf mind. 300 Euro.

Die Entwicklung der verschiedenen Ametropien scheint rasant weiter zu gehen. Ich für meinen Teil gehe jedes Jahr brav zum Augenarzt und zu meinen Kollegen, um sicherzugehen, dass sich meine Augen in ihrer besten Leistung befinden. Nicht (mehr) sehen zu können ist für mich ein Horrorszenario, dass ich nie erleben möchte. Und eines ist gewiss: Bei meinem nächsten Autounfall werde ich dafür sorgen, dass alle Beteiligten ein richterliches Gutachten über die aktuelle Sehschärfe vorlegen müssen. Ebenso wird von der Polizei schriftlich festgehalten, ob mein Unfallgegner seine Brille trägt oder nicht. Ich sehe jeden Tag, wie schlecht die Menschen sehen und höre, wie sie oftmals ihre Brillen nicht aufsetzen beim Autofahren…