Die Odyssee meines Jobwechsels: Von der Angst vor dem Nichts

und warum man springen sollte

Veröffentlicht am: 19.7.2017
Autor/in: Gastautor
Lesezeit: Minuten

„Kündige bloß nicht, bevor Du nicht etwas Neues hast“

„… aber Du hast doch einen festen Vertrag..!“

„Lohnt sich das denn auch?“

„Aus der Arbeitslosigkeit heraus bewerben ist immer schlecht!“

Kennst Du sie auch? Diese Sprüche, diese Bedenken. Noch vor einem Jahr habe ich genau so gedacht. Zehn Jahre lang bei ein und demselben Hörgeräteakustik-Unternehmen. Ich war in meiner Komfortzone und fühlte mich dort wohl. Vor einigen Jahren hatte ich meinen Hörakustik-Meister gemacht. Ich hatte ein Fachgeschäft, meinen eigenen Kundenstamm, mein eigenes kleines Team. Ich war glücklich und zufrieden in meinem Job, hatte meinen Alltag und mein festes Gehalt. Und doch war da der Wunsch nach „mehr“. Mehr als nur Hörgeräte anpassen. Es war schon sehr lange mein Wunsch, Hörgeräteversorgungen außerhalb des Normbereichs zu machen. Nach ein paar Jahren wird man jedoch betriebsblind und solche Ziele geraten in den Hintergrund. Man verfällt in seinen eigenen Trott und irgendwann wird die Arbeit, die man ablegt, nicht mehr meisterlich, sondern einfach nur noch „business as usual“. Man verliert den Blick für das Wesentliche und macht die Dinge nur noch, weil man sie gewohnt ist und nicht weil sie richtig sind.

Die Ausreden überwinden

Ist das so ein generelles Problem der Generation Y? Diese stetige Unruhe? Eigentlich war doch alles in Ordnung. Trotzdem musste ich mal wieder in meinem Beruf richtig gefordert werden. Ich wollte in den Bereich „implantierbare Hörsysteme“ - schon seit Jahren. Cochlea-Implantate, Baha-Geräte, Vibrant Soundbridge und Bone Bridges - dafür interessierte ich mich. Aber immer wieder habe ich es aufgeschoben. Mein damaliger Arbeitgeber sträubte sich leider vehement dagegen.

Da waren die Schulden der Meisterkosten an meinen Arbeitgeber, die ich gerne als Ausrede nahm. Es gab so unendlich viele Gründe, einen Jobwechsel so weit wie möglich hinauszuschieben: Die guten Kollegen, das gute Gehalt, die Schulden… aber vor allem meine Zufriedenheit und die Angst davor, etwas Neues zu beginnen. Wer garantiert mir denn schließlich, dass es auch gut sein wird, wenn ich einen Wechsel wage?

Eines Tages jedoch schickte ein Freund mir via Whatsapp eine Anzeige aus einer Fachzeitschrift. Ich dachte mir: versuch es doch einfach mal – zu verlieren hast Du nichts. Gelegentliche unverbindliche Bewerbungsgespräche sind normal unter Akustikern. Ein Wechsel kam für mich bis dato nicht in Frage, von daher ging ich entspannt in das Gespräch. Besagter Mensch machte mir allerdings solch ein gutes Angebot, dass ich nicht ablehnen konnte. Bevor ich dreimal blinzeln konnte, hatte ich schon gekündigt und den neuen Arbeitsvertrag unterschrieben. Hatte ich das wirklich gemacht? Immerhin bedeutete das einen Umzug für mich. Das war der Anfang meines kleinen Abenteuers. Damals ahnte ich noch nicht, dass ich ein halbes Jahr später in die Arbeitslosigkeit hineinrutschen würde. Als Akustikmeister durchaus eine Leistung.

Ja, der Austritt aus der Komfortzone ist eine Überwindung. Glücklicherweise habe ich weder Kinder noch sonstige Angehörige, die von mir abhängig sind. Bei besagtem Arbeitgeber habe ich nach zahlreichem Hin und Her trotzdem nicht angefangen – aus diversen Gründen. Obwohl mein alter Arbeitgeber mich auch weiter behalten hätte, entschied ich mich dagegen, zu bleiben. Immerhin hatte ich mich jetzt aus meiner Komfortzone gewagt. Warum also sollte ich jetzt wieder hineingehen? Nein, schließlich wartete eine große weite Welt auf mich und lockte mich mit ihrem unwiderstehlichen Duft aus Abenteuer und Veränderung. Die Arbeitslosigkeit jedoch wartete direkt daneben und winkte mir spöttisch zu.

Sei fordernd – deinem Arbeitsgeber und auch Dir selbst gegenüber!

Wenn man ein paar Moneten auf der Seite liegen hat, kann man es sich durchaus leisten, nicht sofort jedem Arbeitgeber hinterherzulaufen (vom Arbeitsamt gab es sowieso eine dreimonatige Sperrfrist für das Arbeitslosengeld, weil ich selbst gekündigt hatte). Allerdings wurde die Gewissheit immer größer, dass ich – dadurch, dass ich in ein sehr spezielles Gebiet der Akustik vordringen wollte – wahrscheinlich würde umziehen müssen.

Es folgte eine regelrechte Odyssee durch die Branche. Ich suchte mir über Xing neue Kontakte, die mir den ein oder anderen Hinweis geben konnten, ich schrieb Initiativbewerbungen – mal mehr, mal weniger erfolgreich.

Der freie Fall – von hier an ist alles möglich

Vom erfolgreichen Bewerbungsgespräch bis hin zur absoluten Katastrophe war innerhalb von zwei Monaten alles drin. Das schlimmste Erlebnis, was ich hatte, war in einer Klinik. Man hatte mich nach erfolgter Initiativbewerbung zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen, welches knappe 800 km von meinem Wohnort entfernt war. Dadurch, dass ich meine Zeit nun flexibel einteilen konnte, war ein Termin schnell gefunden. Als ich in einer wildfremden Stadt in einer wildfremden Klinik mit einem wildfremden Professor das Vergnügen hatte, erlebte ich eine Dreistigkeit der besonderen Art. Kurzum: Jener Professor teilte mir in einem dreiminütigen „Bewerbungsgespräch“ mit, dass er „nur mal sehen wollte, wer sich da beworben hatte“. Eine Stelle habe man aktuell nicht frei, aber wenn ich ihm etwas Zeit geben würde, könne er vielleicht in einem halben Jahr eine Stelle einrichten.

Ich hatte durchaus das Recht, ihm in diesem Moment alles sagen zu können, jedoch bin ich kein Mensch, der Schlagfertigkeit zu seinen Eigenschaften zählen kann. Also taumelte ich wie betäubt aus der Klinik – gedemütigt, entmutigt, der weiteren Ungewissheit ausgesetzt. Das ist diese Art von fallen, die besonders hart ist, wenn man sich viel mehr von einer solchen Gelegenheit erhofft hat als ein „Du bist ganz umsonst gekommen.“ Das einzig Entschädigende ist, dass ich mir jedes Bewerbungsgespräch für das Finanzamt habe bestätigen lassen. Für die Leute, die das interessiert: Einen Teil der Fahrtkosten kann man beim Finanzamt als Werbungskosten von der Steuer erstatten lassen.

Was lange währt…

Glücklicherweise war das die absolute Ausnahme. In dieser Zeit durfte ich auch viele positive Erfahrungen sammeln. Wie etwas weiter oben schon erwähnt, machte ich es mir durch meine kritische Haltung diversen Arbeitgebern gegenüber selbst schwer. Aber warum auch nicht? Schließlich stand ich davor, mein gesamtes Leben für den Beruf aufzugeben – da durfte man auch mal wählerisch sein. Wäre ich das nicht gewesen, stünde ich heute nicht dort, wo ich bin. Daher kann ich jedem nur empfehlen: Seid euch eures Wertes bewusst!

Das letzte Gespräch was ich hatte, war das Ausschlaggebende. Nach zahlreichen Gesprächen mit Arbeitgebern, wo ich immer eine Art flaues Bauchgefühl hatte – mal mehr, mal weniger – hatte ich den Arbeitgeber gefunden, wo ich zukünftig arbeiten und mein Bestes geben wollte. Schlappe 650 km von meinem Heimatort entfernt. Die Aufregung danach war groß. Zwei Tage später kam dann die erlösende Zusage. Hörgeräteanpassungen außerhalb der Norm, kaum Zahlendruck, eine tolle Stadt, ein Haufen Möglichkeiten, sich weiterzubilden und ein akzeptables Gehalt. Letztendlich habe ich – nicht zuletzt dank meiner Flexibilität, die mir die Arbeitslosigkeit gab - innerhalb von zwei Wochen:

  • einen Arbeitsvertrag bei einem Arbeitgeber meiner Wahl bekommen,
  • eine Wohnung in einer Stadt gefunden, in der manche monatelang suchen müssen,
  • einen Hauruck-Umzug mit dem Nötigsten bewältigt
  • meinen Traumjob gefunden

Fazit

Um deine Ziele zu erreichen, brauchst Du vor allem Mut! Der Weg aus der Komfortzone ist schwierig, kann sich jedoch lohnen! Bedenke, dass ein Jobwechsel immer mit einem Risiko verbunden ist. Dennoch solltest Du dich fragen: Wirst Du es eines Tages bereuen, wenn Du diese Chance nicht nutzt? Sei ehrlich zu Dir selbst, denn die Antwort kennst nur Du. Lautet sie „Ja“? Na, worauf wartest Du noch?

Hast Du so etwas Ähnliches auch erlebt? Schreib gern deine Erfahrungen als Kommentar. Oder melde Dich gerne in unserem Blogger-Team an!